St. Antonius-Basilika, Rheine

Schleifenwindladen, mechanische Tastentraktur (Lagerung der Holzwellen ohne Garnierung), elektrische Registertraktur, Generalsetzer 64fach,

Disposition: Christian Lobback, Bernhard Terschluse, Herbert Vieth
Gehäuseentwurf, Mensuren und Intonation: G. Christian Lobback

Manual I C – a“‘ (Positiv)

Prinzipal 8′
Gedackt 8′
Quintade 8′
Prinzipal 4′
Dolce 4′
Schwegel 2′
Sesquialter II 2 2/3′
Larigot 1 1/3′
Scharf IV 1′
Cor anglais 16′
Cromorne 8′
Tremulant
III- I

Manual II C – a“‘ (Hauptwerk)

Pommer 16′
Doppelprinzipal 8′
Rohrflöte 8′
Gamba 8′
Oktave 4′
Nachthorn 4′
Quinte 2 2/3′
Prinzipal 2′
Grand Cornet V 8′
Mixtur VI 2′
Zimbel III 1/2′
Trompete 16′
Trompete 8′
Klarine 4′
III – II
I – II

Manual III C – a“‘ (Schwellwerk)

Bordun 16′
Flûte harmonique 8′
Salicional 8′
Schwebung 8′
Geigenprinzipal 8′
Prinzipal 4′
Rohrflöte 4′
Nasard 2 2/3′
Flageolett 2′
Terz 1 3/5′
Quinte 1 1/3′
Septime 1 1/7′
Oktave 1′
Fourniture V 2′
Bombarde 16′
Hautbois 8′
Clairon 4′
Tremulant

Pedalwerk C – f‘

Prinzipal 16′
Subbaß 16′
Quinte 10 2/3′
Oktave 8′
Bartpfeife 8′
Choralbaß 4′
Spitzflöte 4′
Traverse 2′
Hintersatz VI 2 2/3′
Posaune 16′
Trompete 8′
Zink 4′
III – P
II – P
I – P

Die St. Antonius-Basilika und die Orgel von 1984

Das nördliche Münsterland besitzt eine Reihe von wichtigen Kirchen aus der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, deren Entstehung aus dem gravierenden Strukturwandel der bäuerlich geprägten Landschaft in ein großes Industriegebiet zu erklären ist. Unter diesen nimmt die Basilika Rheine nach Größe, Anspruch und Bekanntheitsgrad weit über Westfalen hinaus einen besonderen Rang ein.

Allerdings gibt es einige wesentliche Unterschiede zwischen den Bauten aus der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts und dem um die Wende zum 20. Jahrhundert errichteten Riesenbau in Rheine. Hier wendet man sich einem neuen Stilideal zu, und zwar der romanischen Kunst des frühen Mittelalters. Anders als bei den früheren Bauten, die nur ganz allgemein im gotischen Stil errichtet wurden, ist die Basilika in Rheine in ihrem Mittelteil eine Kopie der von Bischof Bernward von 1007 – 1033 errichteten Michaels-Kirche in Hildesheim; also eine mit einer Flachdecke versehene dreischiffige Basilika mit Stützenwechsel, Ost- und Westquerschiff, zwei Vierungstürmen, vier Flankentürmen sowie zwei Chören. So entsteht das getreue Bild eines Frühmittelalterlichen Kaiserdomes aus ottonischer Zeit, dem Höhepunkt des Kaiser- und Reichsgedankens aus christlichem Geist, in dem sich völlige Einheit weltlicher und geistlicher, nationaler und kirchlicher Macht ausdrückt. Hier schuf sich das durch den soeben siegreich überstandenen Bismarckschen Kulturkampf gestärkte Selbstbewußtsein des westfälischen Katholizismus sichtbaren Ausdruck.

Dieser Aspekt der Konkurrenz, der zur Entstehung solch anspruchsvoller Bauten führte, wird bei der kunstgeschichtlichen Betrachtunsgweise meist übersehen. Konkurrenz, einer der Leitgedanken des inzwischen voll entwickelten kapitalistischen Wirtschaftssystems, brachte diese Bauwerke hervor. An der Antonius-Basilika in Rheine, die man als das ehrgeizigste Unternehmen seiner Art in Deutschland bezeichnen kann, wird dieser Aspekt besonders deutlich (Rudolf Breuing).

Die Orgel der Basilika wurde 1984 von dem Orgelbauer Christian Lobback, in Hamburg geboren, errichtet. Seine Werkstatt in Neuendeich, inmitten des Landschaftsschutzgebietes der Seestermüher Marsch, nordwestlich von Hamburg gelegen, zählt zu den wichtigen in Deutschland.

Als Aufstellungsort für die Orgel wurde die Westempore ausgewählt. Es entstand ein symmetrischer Gehäuseentwurf, der aus 15 Einzelfeldern besteht. An höchster Stelle in der Mittelachse ist das Pedalwerk angeordnet. Ebenfalls in der Mittelachse darunter wurde das Schwellwerk (III. Manual) eingebaut.

Die Pfeifen des Registers Prinzipal 16′ verdecken das Schwellwerk. Auf der linken Seite befindet sich das Hauptwerk

(II. Manual). Analog dazu ist rechts das Positiv
(I. Manual) plaziert. Hauptwerk und Positiv werden jeweils durch 8-Fuß-Prinzipale repräsentiert.

Die Schleifenwindladen der Manualwerke liegen annähernd auf gleicher Höhe. Neben einer guten Schallabstrahlung war auch die integration des Orgelgehäuses in den neoromanischen Kirchenraum von besonderer Bedeutung, wozu im übrigen auch die von Christian Lobback entworfenen Ornamente beitragen. Der Spieltisch ist freistehend angeordnet. Der Organist blickt zum Altar. Das Instrument ist ohne ideologische Befangenheit konstruiert und gebaut worden, was ein Blick auf den Spieltisch und das Orgelinnere deutlich macht. Die Technologie des 18. und 20. Jahrhunderts findet der interessierte Betrachter friedlich nebeneinander. Dazu gehört die mechanische Tastentraktur in Holzbauweise einschließlich der Wellen und deren Lagerung in Palisanderdocken ohne Filzgarnierung ebenso wie der Generalsetzer für die abrufbereite Speicherung der 54 Register.

Ein Blick auf die Disposition macht deutlich, daß das Instrument nicht auf bestimmte Stilepochen fixiert ist. Der ursprüngliche Entwurf sah weniger Register vor. In Anbetracht des gewaltigen Raumvolumens und der spezifischen akustischen Eigenschaften der Basilika wurde die Disposition in der 8-Fuß-Lage angereichert.

Sowohl was die Liturgie als auch das Konzert betrifft, ist ein bemerkenswert großer Teil der Musikliteratur angemessen darstellbar. Nicht nur dem Repertoire des 17. und 18. Jahrhunderts, wofür Positiv, Haupt-, Schwell- und Pedalwerk einen großen Registerfundus zur Verfügung stellen, sondern auch der Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts sowie der Moderne wurde damit Rechnung getragen. Subtile Intonationskunst und schöpferische Gestaltungskraft des Erbauers tun ein übriges.

Ihre norddeutsche Herkunft kann und soll diese Orgel nicht leugnen. Sie repräsentiert damit überzeugend eine geschichtlich gewachsene Kontinuität des norddeutschen Orgelbaues.

© Leonhard Gockenbach, 1989